Sie haben einen Krieg gesehen, sie werden uns nie verstehen!

Vor etwas mehr als einem Jahr ist meine Oma gestorben und der Schmerz, den ich verspüre ist weit größer als erwartet. Mit dem Sterben meiner Großeltern vergeht nicht nur Teil meiner Familiengeschichte. Die Generation um Christine Nöstlinger nimmt Erfahrungen mit von dieser Welt, die wir alle nur erahnen können. Eine Generation, die wenn nicht den Krieg zumindest die Jahre danach erlebt hat und mit diesem Wissen in eine völlig neue Welt, der Handys, Coffee to Go und rohem Fisch überzugehen hatte.

Meine Oma wurde als Kind einer armen Arbeiterfamilie mit einem alkoholkranken Vater geboren. Aufgewachsen im zweiten Bezirk musste sie die ersten 12 Jahre in einem Gitterbett für Babys schlafen. Wenn sie den Vorstellungen ihres Vaters nicht nachgekommen ist, stand stundenlanges knien am Holzboden an der Tagesordnung. Sollten sie und ihre Geschwister zu spät nach Hause kommen, wurden ihr Köpfe gegen den Türstock geschlagen, bis sie bluteten. Warum ich das alles weiß? Weil ihre verletzte Seele keine andere Möglichkeit gefunden hat, als mir im Volksschulalter weinend davon zu erzählen. Eine Generation an Menschen, die ihr Leid nicht teilen konnten und keinen Weg fanden ihrer Liebe Ausdruck zu verleihen. Ohne Liebe groß geworden, konnte sie ihren Kindern keine sichtbare geben. Erst bei uns Enkerln war es einfacher gewährend und zärtlich zu sein. Und jetzt, ein Jahr nach dem Tod wird mir ihre heroische Leistung bewusst. Ein Leben lang depressiv und alkoholkrank, um sich nicht zu spüren hat sie gelitten und dennoch versucht zu geben. Nie auf Urlaub gewesen und dennoch großzügig unsere Auslandsaufenthalte unterstützt und auch wenn ihr größter Traum war mich als Lehrerin in einem Gymnasium zu wissen, haben sie ihr hart erarbeitetes Geld als Kredit für den Aufbau meines Yogastudios bereitwillig gegeben um ihn mir später zu erlassen. Zuhause im Akkord Geldbörsen genäht, ohne je die Wohnung zu verlassen. Als Klofrau gearbeitet als es notwendig war und trotzdem nicht den Kopf geschüttelt, dass ihre Familie gerne gut und oft essen geht und wenn es doch so weit von allem Begreifbaren für sie war. 2015 hat sie völlig verständnislos gefragt, warum es denn nicht möglich ist Geflüchteten Couscous oder ähnliches zu kochen. „Sowas essen die doch, oder?“ Ach Oma – ich hoffe dir geht’s heute besser und du bist geliebt und geborgen und gehalten!