Der perfekte Leistungsträger

Bei der Wiener Gemeinderatswahl am kommenden Sonntag geht es um sehr viel. Zumindest für mich. Ich liebe diese Stadt. Wie keine andere Großstadt, in der ich bislang war, gelingt es Wien allen Menschen ein gutes Leben zu ermöglichen. Als bekennende Sozialdemokratin und Mitglied der SPÖ seit über 18 Jahren, geht es mir jetzt aber gar nicht darum die Errungenschaften dieser aufzuzählen. Es sei doch erwähnt, dass wir den Luxus grüner Oasen wie den Lainzer Tiergarten oder den Grünen Prater mitten in der Stadt haben, wohnen mittlerweile teuer – dennoch leistbar – ist, die öffentlichen Verkehrsmittel unfassbar gut ausgebaut und sehr günstig sind, die Stadt eine Vielzahl an kulturellem Angebot bietet und die Kriminalitätsstatistik rückläufig ist. Nicht umsonst gewinnt unsere Bundeshauptstadt Jahr für Jahr den ersten Platz der lebenswertesten Stadt der Welt. 

Seit einigen Jahren haben wir in der Bundespolitik Menschen, die die absoluten Leistungsträger der Gesellschaft darstellen. Sie sprechen jene Leistungsträger unter der österreichischen Bevölkerung an, die tatsächlich diesem Menschenbild entsprechen und jene, die gerne so wären. Sebastian Kurz und seine Regierungsmannschaft sind die perfekten Schwiegersöhne. Ich schreibe absichtlich Söhne, weil die Frauen der Neuen Volkspartei wie gruselige humanoide Roboter wirken, die keine eigenständige Meinung und Persönlichkeit mitbringen durften. Ich glaube dem Bundeskanzler und Gernot Blümel, dass sie vor der Arbeit noch ins Fitnessstudio gehen, nicht rauchen, die Wochenenden wandernd verbringen, gemäßigt und gesund essen, einen Bestseller pro Quartal lesen und ebenso oft ins Burgtheater gehen. Sie sind makellos, unangreifbar wie unmenschlich. Diesen menschlichen Perfektionismus und Leistungsgedanken legen sie allerdings auch auf die Bevölkerung um. Es wird doch möglich sein Deutsch zu erlernen, obwohl das Budget für Begleitlehrerinnen gekürzt wurde. Ein bisschen Engagement darf man von den Menschen doch erwarten. Herr Mahrer ermahnte uns kürzlich, dass die Bereitschaft der Arbeitssuchenden ihren Wohnort an das andere Ende des Landes zu ziehen größer werden müsse. Sonst sieht man sich eben gezwungen das Arbeitslosengeld zu kürzen. Ein bisschen Flexibilität darf man sich doch wohl erwarten. Die Erweiterung auf eine 60-Stunden Woche ist ja schon fast wieder vergessen. Ohne Fleiß kein Preis liebe Leute. Finanzminister Blümel kandidiert nun in Wien für die Neue Volkspartei. Er gilt mit seinem Magister der Philosophie als der Intellektuelle der Türkisen und die Vorstellung, dass Wien tatsächlich von Menschen wie dem Finanzminister mitgestaltet wird,  lässt mich erschaudern und um meine geliebte Stadt bangen.

Zum ersten Mal seit ich denken kann, erinnere ich mich nostalgisch an die Köpfe der alten ÖVP. Waren Kdolsky, Leitl und Gio Hahn echte Menschen mit Ecken, Kanten und Makel. Ich fürchte die FPÖ und das Team HC Strache in Wien nicht. Ihr Wahlprogramm ist ehrlich, durchschaubar und es muss offenbar einen gewissen rechten Anteil an Wählerinnen in jeder Gesellschaft geben. Ich fürchte um das solidarische, schöne Miteinander dieser Weltstadt. Wo man im Kaffeehaus eine Stunde Zeitung liest und einen kleinen Braunen trinkt. Wo Leistung nicht alles und Leben mehr ist, als zu funktionieren.