Wochenbett

Das Wochenbett!

Das Wochenbett wirkt auf viele von uns in der westlichen Welt, wie ein Begriff aus alten Tagen mit dem wir wenig anfangen können. Haben doch meist weder unsere Mütter noch deren Mütter ein längeres Wochenbett gehalten und so wird das Ausrasten nach der Geburt oft als Schwäche gesehen. Ich selbst verband lange Zeit mit dem Begriff des Wochenbetts eine romantisierte Vorstellung von Frauen in Dorfgemeinschaft, die die ersten Wochen nach der Geburt ihres Kindes ruhend im Bett verbracht haben und dabei von den Frauen des Dorfes mit Essen, Rat und Haushaltshilfe unterstützt wurden. Wenn man sich aber ein wenig in die Geschichte des Wochenbetts einliest, merkt man schnell, dass diese – wie zumeist die gesamte Frauengeschichte – eine wenig Romantische ist. So galt die Frau im Mittelalter als unrein solange sie Wochenfluss hatte und musste diese Zeit abgeschottet im Wöchnerinnenzimmer verbringen. Mit dem Versiegen des Blutes , durfte sie zurück in der Kirche zeremoniell gereinigt werden. Jede Kultur hat eine andere Länge und Form des Wochenbetts und selbst in der harten Zeit des Nationalsozialismus wurde auf eine strenge Einhaltung eines 10-tägigen Wochenbettes geachtet. Dabei ging es weniger um die Achtung vor der Anstrengung der Schwangerschaft und Geburt, als darum Frau und Kind möglichst gesund und stark zu machen. Als Fazit kann man wohl dennoch ganz klar ziehen, dass ein Wochenbett mit entsprechender Entlastung und Schonung der Frau über die Jahrhunderte hinweg ein probates Mittel für eine physische und emotionale Gesundheit von Frau und Kind darstellt. 

Doch kommen wir zurück in unsere Zeit. Frauengeschichte ist geprägt durch Unterdrückung, Kampf nach Gleichstellung und meist mit Gewalt versehen. Es liegt wohl im Naturell der selbstbewussten Frau das nicht genau betrachten zu wollen. Zu schmerzhaft ist ein wirkliches Hinsehen, wie wir Frauen im Laufe der Geschichte Schwangerschaften, Geburt und das anschließende Wochenbett erlebt haben. Gut abgespeichert in der Epigenetik bedarf es einer enormen Anstrengung und Achtsamkeit diese Geschichte zu durchbrechen und zu heilen. Die Härte und Selbstverständlichkeit, die ich höre wenn ich den Geburtsgeschichten von Frauen der Generation meiner Mama lausche, lässt mich meist bedrückt zurück. Selbstverständlich ist man gleich spazieren gegangen. Natürlich war der Mann arbeiten und man hat Haushalt geschupft und Kinder betreut. Klar hatte man Schmerzen – man wurde ja schließlich brachial aufgeschnitten – aber da jammert man nicht. Frau beißt die Zähne zusammen und stellt sich dem Alltag. 2020 ist die Härte eine andere: der Mann nimmt sich doch meist zumindest 2 Wochen Urlaub, die Physiotherapeutin schaut im Krankenhaus kurz vorbei und wenn man Glück hat, hat man eine Hebamme, die zumindest erklärt wie man sich gut um seine Geburtsverletzungen kümmert. Doch soziale Foren zeigen die fitten Mamas unmittelbar nach der Geburt wunderschön, gertenschlang und trainiert. Heidi Klum läuft einige Wochen nach dem Wunschkaiserschnitt wieder eine Unterwäscheshow und die meisten von uns erliegen dem Druck lange gut zu stillen, ausgewogen und gesund zu kochen und Tiefkühlessen und Hipp-Gläser beschämen uns. Mit all der gebotenen Reflexion ist es uns, sofern dieses Wissen parat steht, die finanzielle Situation es erlaubt und das Familiengefüge stimmig ist, dennoch möglich die Frauengeschichte zu verändern.

Ich selbst habe nach der Geburt meines Sohnes, die ich als ausgesprochen schön erleben durfte, ein sehr strenges Wochenbett gehalten. Maßgeblich verdanke ich das meiner Hebamme, die mich klar auf die Vorteile hingewiesen und meinen Mann dazu beordert hat, dieses streng zu überwachen. Eine Woche im Bett, eine Woche am Bett und eine Woche ums Bett. Die ersten zehn Tage nach der Geburt gelten als frühes Wochenbett und sollten tatsächlich streng eingehalten werden. Diese Zeit ist wichtig um eine erste intensive Beziehung zwischen Mama und Kind zu ermöglichen. Die beiden kennen sich zwar schon einige Monate, aber der erste physische Kontakt bildet wahrscheinlich die Grundlage für die Beziehung. So ist ein ausgiebiges Kuscheln und Erspüren von Haut wichtig um genügend Oxytocin auszuschütten. Dieses Hormon brauchen wir ganz dringend um die Milchbildung anzuregen. Mama und Baby stimmen sich aufeinander ein und können in Ruhe eine gute Stillbeziehung aufbauen. Wenig förderlich dabei sind viele lange Besuche, bei denen die Mutter selbst für die Bewirtung der Gäste zuständig ist. Am besten bleibt ihr im Pyjama und beschränkt die Besuchszeit auf maximal eine Stunde und bittet eure Gäste etwas zum Essen mitzubringen. Im Wochenbett findet neben dem Aufbau eurer Stillbeziehung aber auch eine immense Hormonumstellung statt, die viele Frauen sehr fordern kann und oftmals in die Wochenbettdepression führt. Umso wichtiger ist es jetzt, dass du gut auf dich achtest, so viel wie möglich schläfst, die Zeit als neue Familie auskostest und dir ganz viel Ruhe gönnst.

Dein Baby ist geboren und damit hat dein Bauch wieder ganz viel Platz. All deine Organe müssen sich langsam wieder an ihren ursprünglichen Ort einfinden, der Darm organisiert sich neu und die Gebärmutter arbeitet daran sich zusammenzuziehen. Diese Vorgänge kombiniert mit der Anstrengung der vorangegangen Schwangerschaft und Geburt kosten viel Energie. Sei so achtsam und liebevoll du kannst zu dir und halte dir immer wieder vor Augen was du Großartiges leistest. Dein Körper schafft Leben und nährt Leben. 

Der Geburtsvorgang hat deinen Körper auf vielen Ebenen wohl gefordert, aber ganz besonders deinen Beckenboden. Ich erinnere mich gerne an die Geschichte meiner Osteopathin, die von einer Wiener Privatklinik erzählt hat. In der sie unzählige Male bereits nach der Geburt, als Physiotherapeutin den Hometrainer ins  Zimmer der Frau bringen musste. Eine gute Rückbildung ist unfassbar wichtig, sie fängt aber erst nach einigen Tagen ganz, ganz sanft an. Niemand käme nach einer Operation oder schweren Erkrankung auf die Idee, sich körperlich zu fordern. Uns ist allen klar, dass man sich einige Zeit schont, rastet und dann langsam mit dem Aufbau der Muskulatur – im besten Fall unter Observierung eines entsprechenden Therapeuten – beginnt. Doch Frauengeschichte ist anders! Es liegt leider auch hier an uns Frauen selbst, diese zu verändern. Die ersten Tage nach der Geburt solltest du so wenig sitzen, stehen und gehen wie möglich, um den Druck auf deinem Beckenboden so gering wie möglich zu halten. Erst danach beginnt eine sanfte Rückbildung. Als Feministin und politischer Mensch tut es mir immer wieder weh zu sehen wie brutal mit dem Körper der Frau umgegangen wird. Wie selbstverständlich Geburtsverletzungen, Gewalt im Kreißsaal und das Funktionieren der Frau in unserer Gesellschaft vorausgesetzt wird. Das Private ist Politisch und ich wünsche mir sehr eine Frau in der Politik, die sich für das Recht der Frau auf eine physische Unversehrtheit einsetzt. Das Thema bietet unzählige Aspekte und ich freue mich schon auf weitere Blogartikel dazu. Wenn du gerne mehr über ein Thema lesen möchtest, schreib mir einfach 🙂

Die Geburt meines zweiten Kindes steht an, auf die ich mich schon wirklich sehr freue. Dabei nicht nur auf das im Arm halten meiner Tochter, sondern auf die Geburt von Alva an sich. Wie bei Emil habe ich vor die ersten Wochen und Monate hauptsächlich kuschelnd im Bett zu verbringen. Denn die Welt da draußen wird es danach auch noch geben!