Selbstwert 1020 Wien

selbstBewusst oder eingebildet?

Den Großteil meines bewusst wahrgenommenen Lebens, habe ich damit zugebracht, mich nicht besonders gern zu mögen. Meine Beine zu muskulös, meine Ohren eine Verwandtschaft zu Dumbo, ich grundsätzlich nicht gut genug. Ein Notendurchschnitt von 1,2 meine gesamte Schulzeit hindurch, ein abgeschlossenes Studium in Mindestzeit, sowie die Ernennung zur Bezirksrätin mit 19, änderten nichts an der Wahrnehmung nicht zu genügen. Sehr viel Zeit, noch mehr Energie, Tränen, Verzweiflung und unfassbar viel Geld haben mich durch einige Jahre Psychotherapie, Selbsthilfegruppen, Gespräche mit schlauen Menschen, Yoga und Meditation geführt und an einen Punkt gebracht, der ganz fein ist. Noch lange nicht fertig, aber ziemlich fein.

Mittlerweile mag ich mich. Nicht alles an mir, aber vieles. Ich kann die Dinge an mir, die schön sind als solche sehen und benennen. Ich weiß um meine Schwächen und um meine Stärken. Nicht selten bin ich aber nun damit konfrontiert, dass mich Menschen als arrogant und eingebildet abstempeln. So wurde ich unlängst gefragt, ob es eigentlich irgendwas an mir gibt, das ich nicht toll finde. Ja, gibt es! Aber noch mehr Qualitäten, die ich wertschätze. Dafür habe ich sehr lange gearbeitet.

Ich wünsche mir in einer Welt zu leben, in der wir einander die Schönheit, Intelligenz und Einzigartigkeit lassen. Gönnen. Sie feiern. Um die Großartigkeit eines anderen nicht als Bedrohung wahrzunehmen, weil man sich selbst dadurch klein empfindet, bedarf es eines gesunden Selbstbewusstseins. Aber machen wir gemeinsam ein Gedankenexperiment: wir leben und lassen uns toll, schwach, lustig, rigide, dominant, ungebildet, einzigartig sein. Ohne das Gegenüber als Messstab der eigenen Person zu sehen. Ich kann es kaum erwarten!

Yoga 1020 Wien Sandra Grosskopf

Über die vielfältigen Möglichkeiten des Lebens und warum Netflix ein wahrer Segen ist

Als ich heute morgen meine Yogamatte ausgerollt habe, ist es mir schwer gefallen meinen Geist zu zentrieren. Zig Gedanken, Tausend nicht erledigte Punkte auf meiner To Do List und noch mehr Optionen halten mich davon ab, bei meiner Atmung zu bleiben. Neben meiner Tätigkeit als Yogalehrerin, bin ich auch heimliches Mitglied der Bundes- und Wiener Stadtregierung. Der tägliche Stress die Zeitung auch wirklich zu lesen und nicht nur zu überfliegen, damit ich bei künftigen Verhandlungen gut Bescheid weiß, ist immens.

Im kommenden Jahr möchte ich eine Sportphysiotherapie- sowie eine Coaching- und Trainerausbildung machen. In meinem Kopf geistert das, noch immer nicht absolvierte, Online Anatomy Teacher Training, dessen Unterlagen ich seit zwei Jahren habe, herum. Habe ich erwähnt, dass ich ein Buch schreiben möchte? Der Presse am Sonntag entnehme ich regelmäßig Buchrezensionen, die mich dazu bewegen die empfohlenen Bücher zu kaufen. Der Stapel wächst und wächst. Jeden zweiten Monat verfluche ich den Tag, an dem meine Yogazeitschrift im Postkasten liegt – um dann mahnend meinen Couchtisch zu zieren. Die Shiatsufortbildungen im Shambala, Yogaworkshops von renommierten internationalen Trainern und meine TCM-Unterlagen verhöhnen mich geradezu ob ihrer Existenz.

Der Fortschritt auf meiner Yogamatte ist zäh und das Biokistl vor meiner Tür erinnert mich daran, dass gesund zu kochen auch eine schlaue Idee der Lebensführung wäre. Wie lange ist denn Ai Weiwei eigentlich noch im 21er Haus zu sehen? Nur damit ich das beruhigt, als unerledigt, aber nicht länger möglich, abhacken kann. Heute habe ich mir eine Hörbuchapp runtergeladen, damit ich im Auto zwischen FM4 (die Musik gefällt mir gar nicht, aber es hält mein Englisch frisch) mir auch da noch ein paar Infos reinziehen kann – Darm mit Charme habe ich noch nicht gelesen. Meine Reinigungsdame fragt mich regelmäßig ob sie mal ein paar Wochen nicht kommen soll, damit ihre Tätigkeit Notwendigkeit hätte. Ich schaue nur staunend und verneine kopfschüttelnd.

Dann halte ich inne, auf meiner Matte, setze mich hin und atme. Streiche den Kulturteil aus der Zeitung, kündige das Abo der Yogazeitschrift (4 Jahre sind genug), beschränke mich auf fünf Workshops pro Jahr. Das Buch kann warten, es gibt genügend ungelesene Autorinnen auf der Welt. Das neue Liessmann/Köhlmeier-Werk schafft es vielleicht doch nicht auf den Stapel und über den aufkeimenden Staub im Wohnzimmer, blicke ich gnädig hinweg. Ich schau mir jetzt eine Folge „orange is the new black“ an – eventuell auch zwei. Netflix ist ein wahrer Segen.

Über die Menschenwürde Sandra Grosskopf 1020 Wien

Über die Menschenwürde und Entscheidungsfreiheit

Jeder der mich kennt, ist entweder von meinem beinahe wahnhaften Zwang Menschen, die mich um Geld bitten, mit diesem auszustatten, genervt, beschämt oder inspiriert. Ich vertrete die klare Überzeugung, dass jeder Mensch, der bettelt oder auf eine andere kreative Weise Geld erfragt, verdient hat dieses zu bekommen.

So ist es recht häufig der Fall, dass mich Fremde auf der Straße ansprechen, um mich davor zu warnen einem Betrüger in die Falle zu laufen. Umso überraschter die Reaktion, wenn ich klar sage, dass mir durchaus bewusst ist, dass der junge Mann nicht täglich Geld für sein Zugticket nach St. Pölten sammelt. Erst letzte Woche hatte ich eine angeregte Diskussion mit einem gesellschaftlich gut gestellten Mann. Er ist der Meinung, dass sofern er jemanden Geld gibt, er auch entscheiden darf, was dieser damit macht. So entscheidet er für den Menschen ob er ihm Essen, Kleidung oder ein Getränk seiner Wahl kauft. Ich empfinde das als grundlegend falsch. Der Würde eines Menschen gebührt es, ihn nicht zu bevormunden. Sich nicht über die Entscheidungsfreiheit eines anderen zu stellen. Ihn zum Almosenempfänger zu machen und wie ein Lehensherr zu entscheiden, wofür das Geld auszugeben ist. Niemand der mich für meine Arbeit bezahlt, erklärt mir was ich damit zu tun habe. Ich kann mein Geld für Alkohol, Drogen, Zigaretten, Kleidung und Obdachlosenunterstützung ausgeben, wie es mir Freude macht. Diese Würde und Achtung gestehe ich allen anderen Menschen auf dieser Welt auch zu. Viele von uns haben nicht das Glück in Mitteleuropa geboren und gut behütet aufgewachsen zu sein. Ihre einzige für sie mögliche Option ist zu betteln.

Umso schöner ist es zu sehen, wie mein Umfeld über die Jahre sich mit mir wandelt. Ganz oft habe ich in den letzten Monaten von Freundinnen gehört, dass sie seit sie mit mir Zeit verbringen, häufig auf der Straße wieder umdrehen und doch einige Euros entbehren. Das lässt mich nicht nur stolz und berührt darin bestärkt sein, genauso weiterzumachen – es zeigt mir auf eine weitere Weise, dass Yoga nicht auf der Matte stattfindet.

Take your practice off the mat!

Männer und Yoga 1020 Wien

„Lukas goes Yoga”

Dieser Dialog und die Charaktere sind frei erfunden.

A: Annemarie, dieYogalehrerin

L: Lukas

A: Komm im Raum an, lenke deinen Geist auf deine Atmung.

L: Ich bin schon da….und atmen tue ich eh die ganze Zeit….

A: Verlängere nun deine Atemzüge….Atme durch die Nase gleichmäßig ein, atme durch die Nase gleichmäßig aus. Finde deinen Ujjayi-Atemrythmus…

L: Ujjayi WAS?..Durch die Nase?…scheiße, ich glaub ich hab mich gerade angerotzt…

A: Mit der nächsten Einatmung hol dir Länge in deiner Wirbelsäule, deine Krone zieht zur Decke..

L: Du hast auch einen an der Krone picken…Wenn ich hier noch länger sitzen muss, bricht mein Rücken durch…AAhhh…ich will hier raus!!

halbe Stunde später, warm-up Phase geht zu Ende….

A: AAAtme, breeeeeeeeeeathe!!!! Verbinde dich mit dem Boden,hol dir Kraft aus der Erde, verwurzle deine Füße mit der Matte!!!!

L: Okay Schätzchen, ich stehe jetzt gefühlte 40 Minuten in dieser fucking Kriegerposition…MEINE HÜFTE, AAAAAAAAAAAAHHHHHHHH, MEIN OBERSCHENKEL FUCK FUCK FUCK……

A: Das machst du ganz toll Lukas!!! Schließe nun deinen vorderen Rippenbogen….Ja Genau! Und jetzt komm mit deinem vorderen Knie tiefer…JAAAAA SUUPER LUKAS!!!!

L: Heast, ich geb dir gleich tiefer….ICH STERBE!!!! SIEHT DU DAS DENN NICHT??? (grinst Annemarie an)

halbe Stunde später am Boden….

L: Okay….das wars…ich scheiß drauf…das ist einfach iiiiirgendwas…..

A: Und nun machen wir noch etwas für unseren Core. Kommt in Navasana.

L: Was ist das eigentlich für eine beschissene Fantasy-language…klingt doch alles gleich…

letzten 10 Minuten, Savasana Vorbereitung…

A: Dein Geist ist ruhiger als zu Beginn der Stunde. Komm am Rücken zu liegen und begib dich in dein ganz persönliches Savasana.

L: Und weida….

Verabschiedung….

A: Verbeuge dich vor dir selbst…

L: ja ja JA JAAAAAAAAA ITS OVER!!!!!

A: Wir beenden die Stunde mit drei Om.

Class: AAAAAAAAAAAAAAOOOOOOOOOOOOOOOOOHHHHHHHMMMMMMM

L: what……the……fuck……

Class: AAAAAAAAAAAAAAOOOOOOOOOOOOOOOOOHHHHHHHMMMMMMM

L: Bitte hört auf….ich piss mich gleich an vor Lachen…..

Class: AAAAAAAAAAAAAAOOOOOOOOOOOOOOOOOHHHHHHHMMMMMMM

L: Okay decision made….ich geh ins mcfit…..

Warum so wenig Männer Yoga ausüben…..:)

Sandra Grosskopf Yoga 1020 Wien

No one said it’s gonna be easy – but I am pretty sure it’s worth it

Manchmal habe ich das Bild vor mir wie ich schreiend aus meinem Leben davon laufe. Einfach los starte und Wien hinter mir lasse. Es sind Momente, in denen mir alles zu viel wird. Ich alleine neue Möbel für meine – hoffentlich irgendwann fertige – renovierte Wohnung einkaufe, mir sieben Klienten kurzfristig ihre Sitzung stornieren, ich nicht weiß, wie ich die nächste Miete bezahle, mein Körper von all der Arbeit müde ist, mein Kopf schmerzt und ich mich nach einer starken Schulter zum Anlehnen sehne.  Da schleicht sich bei mir der Gedanke ein doch AHS-Lehrerin zu werden. Abgesichert im System, eine geordnete Tätigkeit auszuüben. Eine Partnerschaft einzugehen, um nicht alles alleine oder mit Hilfe von Freundinnen und Familie bewerkstelligen zu müssen und –  so ehrlich muss ich sein – jemanden zu haben, der meinen Kopf streichelt. Es sind Momente, in denen ich mir unendlich leid tue.

Dann trete ich einen großen Schritt aus dem Chaos zurück und betrachte die Situation von außen: vor etwa 16 Monaten habe ich mich selbstständig gemacht – ohne Mamas und Papas schützende finanzielle Hand – und ich konnte bislang meine Miete jedes Monat zahlen. Ich gehe keiner Tätigkeit nach, die mich nach dem Wochenende lechzen lässt. Sondern folge meiner Berufung, Leidenschaft, größten Liebe und Freude. Seit der Eröffnung meines Yogastudios hatte ich nie länger als drei aufeinander folgende Tage frei und es ist mir ehrlich ganz egal – denn was ich mache erfüllt mich mehr als jeder Urlaub es könnte.

Manchmal bin ich tatsächlich unendlich einsam und wünsche mir nichts sehnlicher als mein Leben mit jemanden zu teilen. Doch ich möchte keine Partnerschaft, die einen Zweck zu erfüllen hat. Ich sehne mich nach einer Nähe, die keine Worte braucht. Ohne Regeln und Anspruch. Wir begegnen einander auf Augenhöhe, wahrhaftig. Ohne uns zu verstellen. Nie muss ich mich zurückhalten, noch muss ich mich verausgaben. Weil ich gar nichts muss, sondern einfach bin. Ich passe in die Schuhe, die ich trage. Laufe nicht davon, wenn es weh tut, noch komme ich näher als ich darf. Es ist eine Liebe abseits von Konventionen der Ehe, der Kinder, des gemeinsamen Museumsbesuchs. Wir treffen uns viel tiefer. Dort wo keine Worte hinreichen.

Ich habe mich dazu entschlossen, einen äußerst kompromisslosen Weg zu gehen, weil ich daran glaube, dass er mich an den Ort führt an dem ich zu sein habe. Bis dahin wird wohl noch der ein oder andere Stein zu überwinden sein. Doch ich bin ganz gewiss: es ist der richtige Weg.

 

 

 

 

What you resist persists Sandra Großkopf 1020 Wien Yoga

„What you resist persists“ – wie wir Ängste überwinden und zu uns finden

Als meine kleine Schwester die erste Nacht ihres Lebens durchschlief dachte meine Mama sie sei gestorben. Zu diesem Zeitpunkt war ich zwei Jahre alt und habe keine Nacht durchgeschlafen. Diese Angst sollte mich weitere 25 Jahre begleiten. Bis zu meinem 12. Lebensjahr durften sich meine Eltern an meiner Gegenwart im ehelichen Bett erfreuen und danach beglückte ich das Schwesterherz mit meiner Nähe. Die Vorstellung alleine im eigenen Bett zu schlafen löste mein gesamtes Leben eine schier unfassbare, diffuse Panik aus. Diese sollte mich und meine Möglichkeit autonom zu leben und entscheiden für eine lange Zeit bestimmen. Jede Partnerschaft wurde zu einem Drama, da ich auf die Anwesenheit einer anderen Person in der Wohnung angewiesen war. Nächtelang versuchte ich mir anzutrainieren alleine zu schlafen. Erfolglos. Die Tage danach gezeichnet von Müdigkeit, Scham und Ärger.

Bis ich aufgehört habe es zu bekämpfen und es als eine liebevolle Eigenheit meiner Person akzeptiert habe. Der Kritik meines damaligen Partners entgegnete, dass ich viele andere wertvolle Qualitäten besitze, die diese Bedürftigkeit mehr als wettmachen. Erst mit der Akzeptanz entstand Handlungsspielraum. Im Laufe meiner Asienreise gab ich mir jede Woche eine neue Aufgabe: vom Gruppenzimmer im Hostel, zum Einzelzimmer mit Matratze vor der Tür, zur offenen Terrassentür im Hotel. Bis ich beim eigenen Haus inmitten eines Reisfeldes angekommen war. Heute schließe ich ganz einfach meine Augen und vertraue darauf morgen wieder aufzuwachen. In meiner eigenen Wohnung. Ohne Angst.

Ich habe 27 Jahre gebraucht um alleine schlafen zu lernen – meine größte Angst zu überwinden. Seither weiß ich, dass alles auf dieser Welt möglich ist und einem freien, selbstbestimmten Leben wirklich gar nichts im Wege steht.

hast Du sie geehrt? Sandra Grosskopf 1020 Wien Yoga

Und ich frage Dich…

hast Du sie geehrt, gewürdigt, getragen? Ihre zarte Seele, ihr offenes Herz, ihren warmen Körper sicher geschützt in Deinen Händen gehalten?

Wenn Du zu ihrem Innersten vorgedrungen, ihr euch vereint, euer Kern sich berührt und ihr ganz offen ward. Hast Du ihre Weiblichkeit gesehen und bist Dir Deiner Männlichkeit bewusst? Was die Verantwortung Mann zu sein mit sich bringt?

Machst Du sie zu Deiner Königin, so mach sie Dich zum König und wird Dich mit all ihrer Sanftheit halten. Doch es geht nur in diese eine Richtung – das hab ich mir nicht ausgesucht.

Bevor Du Dich das nächste Mal vereinigst, die warme Wonne der Frau genießt, ihr nährendes Wesen erfährst, frag Dich gut: hast Du sie geehrt? Bist Du bereit zu geben, zu lieben und zu sorgen? Denn sonst bleibt bloß verbrannte Erde.

An all die sanften, schönen Frauen, die ihr so stark Tag für Tag unser aller Leben meistert, lasst euch nicht länger eure Weiblichkeit nehmen. Wir haben nun noch ein bisschen länger stark zu sein, um es dann gemeinsam nicht mehr sein zu müssen.

Single 20er Sandra Grosskopf Yoga 1020 Wien

Single in den 20ern

Anfang meiner 20er war ich über zwei Jahre Single. Das bedeutete jedes Wochenende ausgehen, unverbindlichen Sex, unangenehme Morgen danach, einen Kater der dich fast umbringt vor Übelkeit und Kopfschmerzen und unfassbare Selbstzweifel. Ich datete ausschließlich Idioten. Jungs, die mir das Gefühl gaben ihrer unwürdig zu sein. Menschen in deren Gegenwart ich mich bemühte zu entsprechen. Ihrem Anspruch an Aussehen, Intellekt, Humor, Sexualität, Unverbindlichkeit und Unzuverlässigkeit.

Die letzten sechs Jahre verbrachte ich in einer mehr oder weniger stabilen Partnerschaft. Da war zwar wahrlich nicht alles eitle Wonne – ich musste jedoch keine Idioten mehr treffen. Jetzt bin ich seit einigen Monaten wieder Single. Ende 20. Und das macht einen großen Unterschied, denn ich reflektiere auf ganz andere Menschen. Nach einem kurzen Aufenthalt auf Tinder – was hat sich denn der liebe Gott dabei gedacht? – habe ich mich von der wahnhaften Partnersuche meiner Generation verabschiedet. Ich hatte in den vergangenen Monaten einige Dates. Mit tollen Männern. Gebildet, belesen, lustig, sportlich, attraktiv, erfolgreich. Sie haben alle eines gemeinsam: sie sind keine Idioten. Nicht weil die Welt auf einmal mehr vernünftige Menschen beherbergt, sondern weil ich mich heute viel lieber habe als vor sechs Jahren. Wenn mich ein Mann um eine Verabredung bittet spüre ich ganz genau in mich, was diese Person in mir auslöst. Nur wenn das ausschließlich schöne Gefühle, ohne Selbstzweifel sind, sage ich zu. Meistens belasse ich es dann bei einem Abend und einem Glas Wein. Denn so gerne ich in einer glücklichen Partnerschaft wäre, mich habe ich dann doch lieber und dabei gehe ich keine Kompromisse mehr ein.

Gewaltlosigkeit. Sandra Grosskopf. Yoga 1020 Wien

Gewaltlosigkeit – was uns die Praxis auf der Matte lehren kann

Ahimsa ist ein Begriff aus dem Sanskrit und bedeutet frei übersetzt Gewaltlosigkeit. Es gliedert sich ein in die Reihe der restlichen Yamas, welche uns Ideen liefern, wie wir mit unseren Mitmenschen umgehen könnten. Könnten. So vernünftig diese Anregungen auch sind, konfrontiert uns das Leben öfters als uns lieb ist mit Gewalt. Gewalt in Taten, Worten und Gedanken. Gewalt, die wir Anderen zufügen und Gewalt, die uns angetan wird. So ist es in einem bestimmten Rahmen möglich sein Umfeld so zu gestalten, dass man mit viel Liebe, Frieden, Sonnenschein und Gummibären beschenkt wird. Doch vor der achtlosen Bemerkung, dem derben Übergriff, der lieblosen Zurechtweisung sind wir trotzdem nicht gefeit.

Erst unlängst habe ich mich recht intensiv über eine ebensolche Aussage geärgert und gekränkt. Bei näherer Betrachtung bin ich mir ganz sicher, dass die Person mich keineswegs verletzen wollte. Sondern ein achtsamer, gewaltfreier Umgang bei vielen Menschen nicht geübt wird. Was tun wir nun? Auch unfreundlich sein, beleidigen, wild um uns schlagen, vernichten? Weinen, gekränkt sein, sich wertlos fühlen? Alles keine optimalen Lösungen für ein freies, selbstbestimmtes Leben. Ich praktiziere. Auf der Matte. Gewaltfrei mit mir in meiner Yogapraxis zu sein. Der zu schnelle Atem, das Knirschen der Gelenke, der Schmerz in der Beinrückseite – ich höre auf, nehme mich zurück, suche einen anderen Weg die Position zu erforschen. Gewaltfrei in meinem Unterricht – kein forcieren und rauskitzeln von Entwicklung, die noch nicht reif ist. Jedes gewählte Wort, das ich an die Übenden richte ist so überlegt, dass sich damit niemand verletzt oder klein fühlen könnte. Dann ganz langsam geht die Praxis über in deinen Alltag. Du widerstehst dem ersten Impuls zu kämpfen. Es gelingt dir innezuhalten, zu atmen, dem Gefühl Raum zu geben, es ziehen zu lassen und dann erst zu handeln. Auf der Matte passiert Zirkus – der Handstand, der Spagat, die Vinyasas sind nur Übung. Übung für ein freies, schönes, liebevolles Miteinander.

„Einst gab es in Indien einen wunderschönen Tempel, der weithin bekannt war für seinen Spiegelsaal. Eines Tages kam ein Hund zum Tempel und lief hinein. Als er in den Saal der tausend Spiegel kam, sah er sich um und erblickte tausend Hunde. Er bekam Angst, sträubte das Nackenfell, klemmte den Schwanz zwischen die Beine, knurrte furchtbar und fletschte die Zähne. Und tausend Hunde sträubten das Nackenfell, klemmten die Schwänze zwischen die Beine, knurrten furchtbar und fletschten die Zähne. Voller Panik rannte der Hund aus dem Tempel und glaubte von nun an, dass die ganze Welt aus knurrenden, gefährlichen und bedrohlichen Hunden bestehe. Einige Zeit später kam ein anderer Hund. Auch er lief in den Tempel und gelangte in den Saal der tausend Spiegel. Und da sah auch er tausend andere Hunde. Er aber freute sich. Er wedelte mit dem Schwanz, sprang fröhlich hin und her und forderte die Hunde zum Spielen auf. Als dieser Hund den Tempel wieder verließ ging er mit der Überzeugung, dass die ganze Welt aus netten, freundlichen Hunden bestehe, die ihm wohl gesonnen sind.“ – Indisches Märchen

 

Essstörung

Über Essstörungen, Selbstwahrnehmung und dem langen Weg sich zu sehen

Das erste Mal absichtlich übergeben habe ich mich mit zwölf Jahren. Danach folgte über ein Jahrzehnt geprägt von einer Mal stärker dann schwächer ausgeprägten Essstörung. In meiner dünnsten Phase wog ich 46 Kilogramm bei einer Größe von 1,70 Meter. Eine kaum erschreckende Zahl angesichts der Magermodels dieser Welt. Es wäre jetzt sinnbefreit über die verschiedenen Stadien meiner Krankheit zu berichten – dazu gibt es genügend publizierte Artikel. Was jedoch Sinn macht, ist darüber zu sprechen. Nicht leise, versteckt und beschämt, sondern offen und laut.

Nichts ist befreiender als Gespräche mit anderen wunderbaren Frauen. Wenn wir uns darüber lustig machen welche Lebensmittel leichter wieder auszukotzen sind, wie man es am besten vor der Familie versteckt oder wie man es so offensichtlich macht, dass man nur schreien möchte ob der Tatsache, dass es niemand bemerkt. Und ich kann Dir eines sagen: es betrifft nicht nur Dich. Es betrifft uns beinahe alle. Ich kenne keine Frau, die nicht in der H&M Garderobe zu weinen beginnt oder mit ernsthaften Suizidgedanken spielt. Sich im Vergleich mit dem Mädchen von nebenan wie ein Elefant im Porzellankasten fühlt und im öffentlichen Bad ein Tuch um die Hüfte schlingt. Umso wichtiger mit diesem Tabu zu brechen und es einfach laut sagen. Ganz gleich wer mit mir spricht bekommt relativ rasch zu hören, dass ich jahrelang Bulemikerin war und wohl mein Leben lang mit einer gestörten Selbstwahrnehmung zu kämpfen haben werde. Warum mach ich das? Nicht weil ich mein Gegenüber mit einer Selbsthilfegruppe verwechsle, sondern weil ich Raum öffne. Nur in diesem offenen Raum können wir uns wahrhaftig begegnen und Heilung erfahren. Heilung ganz gleich welcher Wahnvorstellung Du auch nachlaufen magst.  Nur wenn wir einander ehrlich begegnen besteht die Möglichkeit aus dem gezeichneten Rahmen auszubrechen und Neues zu schaffen.

So absurd es klingen mag haben Instagram und Facebook einen großen Anteil an meiner liebevolleren Selbstwahrnehmung. Ich poste bewusst Fotos von mir im Bikini. Anfangs hauptsächlich von meinem Bauch – den mag ich gern – doch langsam wagte ich mich an für mich tatsächlich panikauslösende Bilder heran. Vorwiegend veröffentliche ich Fotos von meinen Beinen. Die ich, so lange ich denken kann, mit Verachtung bestrafe. Und so setze ich sie bewusst in Szene und stelle mich der Reaktion der Außenwelt. Ich lebe immer noch und bis jetzt ohne gröbere Beleidigungen. Social Media ist für mich so etwas wie ein therapeutisches Korrektiv geworden. Ich bin noch lange nicht dort wo ich sein möchte. Beinahe täglich erhält mein ehemaliger Lebenspartner einen Anruf von mir mit der Frage: „Bin ich dick geworden?“ und eine Freundin von mir hat mich heute irritiert beim Jeanskauf darauf hingewiesen, dass sie meine lieblose Bemerkung „In der Hose schau ich blad aus.“ als äußerst unpassend empfindet. Für so gut wie alle Issues habe ich eine Lösung gefunden, die mir erlaubt mein Leben heute sehr frei und schön zu genießen. Therapie, Selbstreflexion, Freunde, Familie und meine Yogapraxis haben dazu ihren Beitrag geleistet. Doch hier geht es langsamer, viel langsamer. Mir zu langsam.

Heute hatte ich ein Fotoshooting. Von dem ich eine Woche zuvor schon wusste. Ich habe keinen Tag gefastet, gekotzt oder abführende Lebensmittel zu mir genommen. Keine Sekunde habe ich daran gedacht. Lediglich gefreut habe ich mich darauf Fotos, in schönen Posen, von mir zu machen. Dabei habe ich sogar manchmal vergessen meinen Bauch einzuziehen. Ein Anfang? Ich denke es ist viel mehr!