Ahimsa ist ein Begriff aus dem Sanskrit und bedeutet frei übersetzt Gewaltlosigkeit. Es gliedert sich ein in die Reihe der restlichen Yamas, welche uns Ideen liefern, wie wir mit unseren Mitmenschen umgehen könnten. Könnten. So vernünftig diese Anregungen auch sind, konfrontiert uns das Leben öfters als uns lieb ist mit Gewalt. Gewalt in Taten, Worten und Gedanken. Gewalt, die wir Anderen zufügen und Gewalt, die uns angetan wird. So ist es in einem bestimmten Rahmen möglich sein Umfeld so zu gestalten, dass man mit viel Liebe, Frieden, Sonnenschein und Gummibären beschenkt wird. Doch vor der achtlosen Bemerkung, dem derben Übergriff, der lieblosen Zurechtweisung sind wir trotzdem nicht gefeit.
Erst unlängst habe ich mich recht intensiv über eine ebensolche Aussage geärgert und gekränkt. Bei näherer Betrachtung bin ich mir ganz sicher, dass die Person mich keineswegs verletzen wollte. Sondern ein achtsamer, gewaltfreier Umgang bei vielen Menschen nicht geübt wird. Was tun wir nun? Auch unfreundlich sein, beleidigen, wild um uns schlagen, vernichten? Weinen, gekränkt sein, sich wertlos fühlen? Alles keine optimalen Lösungen für ein freies, selbstbestimmtes Leben. Ich praktiziere. Auf der Matte. Gewaltfrei mit mir in meiner Yogapraxis zu sein. Der zu schnelle Atem, das Knirschen der Gelenke, der Schmerz in der Beinrückseite – ich höre auf, nehme mich zurück, suche einen anderen Weg die Position zu erforschen. Gewaltfrei in meinem Unterricht – kein forcieren und rauskitzeln von Entwicklung, die noch nicht reif ist. Jedes gewählte Wort, das ich an die Übenden richte ist so überlegt, dass sich damit niemand verletzt oder klein fühlen könnte. Dann ganz langsam geht die Praxis über in deinen Alltag. Du widerstehst dem ersten Impuls zu kämpfen. Es gelingt dir innezuhalten, zu atmen, dem Gefühl Raum zu geben, es ziehen zu lassen und dann erst zu handeln. Auf der Matte passiert Zirkus – der Handstand, der Spagat, die Vinyasas sind nur Übung. Übung für ein freies, schönes, liebevolles Miteinander.
„Einst gab es in Indien einen wunderschönen Tempel, der weithin bekannt war für seinen Spiegelsaal. Eines Tages kam ein Hund zum Tempel und lief hinein. Als er in den Saal der tausend Spiegel kam, sah er sich um und erblickte tausend Hunde. Er bekam Angst, sträubte das Nackenfell, klemmte den Schwanz zwischen die Beine, knurrte furchtbar und fletschte die Zähne. Und tausend Hunde sträubten das Nackenfell, klemmten die Schwänze zwischen die Beine, knurrten furchtbar und fletschten die Zähne. Voller Panik rannte der Hund aus dem Tempel und glaubte von nun an, dass die ganze Welt aus knurrenden, gefährlichen und bedrohlichen Hunden bestehe. Einige Zeit später kam ein anderer Hund. Auch er lief in den Tempel und gelangte in den Saal der tausend Spiegel. Und da sah auch er tausend andere Hunde. Er aber freute sich. Er wedelte mit dem Schwanz, sprang fröhlich hin und her und forderte die Hunde zum Spielen auf. Als dieser Hund den Tempel wieder verließ ging er mit der Überzeugung, dass die ganze Welt aus netten, freundlichen Hunden bestehe, die ihm wohl gesonnen sind.“ – Indisches Märchen