Entspannung muss trainiert werden!
Dieser Satz wird viele von uns – mich eingeschlossen – ein bisschen unangenehm berühren. Sollten wir das süße Nichtstun nicht alle gut können? In einer Welt, die ständig auf Hochtouren läuft, von einem ¼-Telefonanschluss nichts mehr weiß, ist Entschleunigung ein Modewort geworden. Aber wie entspannen, wenn der Körper und Geist auf Performance ausgerichtet sind?
Im Yoga sprechen wir oft von Yin und Yang und das ist wohl der Inbegriff von einem ausgeglichenen Leben geworden. Yin, die schwarze Seite des Kreises symbolisiert den Winter, die Nacht, die Ruhe. Yang, die weiße Seite steht für den Sommer, den Tag, die Aktivität. Doch damit nicht genug, so beziehen sich Yin und Yang auf die Funktionen der Organe, das Gemüt und viele andere Qualitäten des Lebens. Sie stehen allerdings nie abgegrenzt für sich: der kalte Winter geht sanft in einen frischen Frühling über und mündet in der Hitze des Sommers, um sich im moderaten Herbst wieder zu finden. Es geht um Ausgleich und Balance. Keine der Qualitäten kann für sich stehen, noch ist eine der anderen überlegen. Sie ergänzen und befruchten sich und suchen das Miteinander und dafür braucht es ein aktives Zutun von uns.
Wem die Begriffe Yin und Yang zu abstrakt wirken, kann aber einfach auf die Medizin blicken. Parasympathikus und Sympathikus sind Teil unseres vegetativen Nervensystems und repräsentieren ganz ähnlich die unterschiedlichen Qualitäten unseres Seins. Der Sympathikus ist vereinfacht ausgedrückt unser „fight and flight“-System. Er ist immer dann aktiv, wenn unser Körper zu leisten hat. Seine Funktionen sind unter anderem das Steigen der Herzfrequenz, die Erweiterung der Pupillen, aber auch das Zurückhalten des Harns. Kurz gesagt, alles was unser Körper können muss um zu fliehen und zu kämpfen. Hingegen bringt uns der Parasympathikus in den Ruhezustand. Er lässt Puls und Blutdruck sinken, die Augen dürfen sich entspannen und die Verdauung beginnt zu arbeiten. Auch hier benötigen wir beide Teile um gut zu schlafen, verdauen, bewegen und fühlen zu können.
Das Schöne am Daoismus ist, dass keine der Qualitäten besser ist als die andere. Wenn du dich in einer aber besonders vertreten fühlst, kannst du die andere bewusst stärken und trainieren. Da hilft uns Yoga! Der bewusste Umgang von Aktivität in Passivität kann hier gut geübt werden. Die aktiven Sonnengrüße: der Atem und Puls wird schnell und hoch. Danach kommst du bewusst für ein paar Atemzüge zum Stehen und bist die andere Qualität. Mit ein bisschen Übung, wird der Übergang von Anspannung zu bewusster Entspannung leichter – so kannst du Entspannung trainieren.
Spannend ist auch, dass jenes Naturereignis, das uns alle zur Welt bringt ein perfektes Zusammenspiel von Yin & Yang/ Parasympathikus & Sympathikus darstellt. Die Pause zwischen den einzelnen Wehen ist genauso wichtig, wie die Kontraktion der Gebärmutter. Wenn unsere kleinen Babys sich nicht in den Wehen-pausen ausruhen würden, um Kraft für das Hinausgleiten aus der Mutter zu sammeln, wäre die Geburt wohl unmöglich. Kaum auf der Welt, kannst du die Ergänzung dieser beiden Qualitäten besser als bei den Kleinsten beobachten. Sie holen sich ganz viel Ruhe und Schlaf um danach wieder fleißig zu Üben und zu Lernen.
Gerade in angstbesetzten Zeiten wie diesen, ist es wichtig gut auf uns zu achten um optimale Vorraussetzungen für unseren Geist und damit auch Körper zu sorgen.