Gewaltlosigkeit. Sandra Grosskopf. Yoga 1020 Wien

Gewaltlosigkeit – was uns die Praxis auf der Matte lehren kann

Ahimsa ist ein Begriff aus dem Sanskrit und bedeutet frei übersetzt Gewaltlosigkeit. Es gliedert sich ein in die Reihe der restlichen Yamas, welche uns Ideen liefern, wie wir mit unseren Mitmenschen umgehen könnten. Könnten. So vernünftig diese Anregungen auch sind, konfrontiert uns das Leben öfters als uns lieb ist mit Gewalt. Gewalt in Taten, Worten und Gedanken. Gewalt, die wir Anderen zufügen und Gewalt, die uns angetan wird. So ist es in einem bestimmten Rahmen möglich sein Umfeld so zu gestalten, dass man mit viel Liebe, Frieden, Sonnenschein und Gummibären beschenkt wird. Doch vor der achtlosen Bemerkung, dem derben Übergriff, der lieblosen Zurechtweisung sind wir trotzdem nicht gefeit.

Erst unlängst habe ich mich recht intensiv über eine ebensolche Aussage geärgert und gekränkt. Bei näherer Betrachtung bin ich mir ganz sicher, dass die Person mich keineswegs verletzen wollte. Sondern ein achtsamer, gewaltfreier Umgang bei vielen Menschen nicht geübt wird. Was tun wir nun? Auch unfreundlich sein, beleidigen, wild um uns schlagen, vernichten? Weinen, gekränkt sein, sich wertlos fühlen? Alles keine optimalen Lösungen für ein freies, selbstbestimmtes Leben. Ich praktiziere. Auf der Matte. Gewaltfrei mit mir in meiner Yogapraxis zu sein. Der zu schnelle Atem, das Knirschen der Gelenke, der Schmerz in der Beinrückseite – ich höre auf, nehme mich zurück, suche einen anderen Weg die Position zu erforschen. Gewaltfrei in meinem Unterricht – kein forcieren und rauskitzeln von Entwicklung, die noch nicht reif ist. Jedes gewählte Wort, das ich an die Übenden richte ist so überlegt, dass sich damit niemand verletzt oder klein fühlen könnte. Dann ganz langsam geht die Praxis über in deinen Alltag. Du widerstehst dem ersten Impuls zu kämpfen. Es gelingt dir innezuhalten, zu atmen, dem Gefühl Raum zu geben, es ziehen zu lassen und dann erst zu handeln. Auf der Matte passiert Zirkus – der Handstand, der Spagat, die Vinyasas sind nur Übung. Übung für ein freies, schönes, liebevolles Miteinander.

„Einst gab es in Indien einen wunderschönen Tempel, der weithin bekannt war für seinen Spiegelsaal. Eines Tages kam ein Hund zum Tempel und lief hinein. Als er in den Saal der tausend Spiegel kam, sah er sich um und erblickte tausend Hunde. Er bekam Angst, sträubte das Nackenfell, klemmte den Schwanz zwischen die Beine, knurrte furchtbar und fletschte die Zähne. Und tausend Hunde sträubten das Nackenfell, klemmten die Schwänze zwischen die Beine, knurrten furchtbar und fletschten die Zähne. Voller Panik rannte der Hund aus dem Tempel und glaubte von nun an, dass die ganze Welt aus knurrenden, gefährlichen und bedrohlichen Hunden bestehe. Einige Zeit später kam ein anderer Hund. Auch er lief in den Tempel und gelangte in den Saal der tausend Spiegel. Und da sah auch er tausend andere Hunde. Er aber freute sich. Er wedelte mit dem Schwanz, sprang fröhlich hin und her und forderte die Hunde zum Spielen auf. Als dieser Hund den Tempel wieder verließ ging er mit der Überzeugung, dass die ganze Welt aus netten, freundlichen Hunden bestehe, die ihm wohl gesonnen sind.“ – Indisches Märchen

 

Essstörung

Über Essstörungen, Selbstwahrnehmung und dem langen Weg sich zu sehen

Das erste Mal absichtlich übergeben habe ich mich mit zwölf Jahren. Danach folgte über ein Jahrzehnt geprägt von einer Mal stärker dann schwächer ausgeprägten Essstörung. In meiner dünnsten Phase wog ich 46 Kilogramm bei einer Größe von 1,70 Meter. Eine kaum erschreckende Zahl angesichts der Magermodels dieser Welt. Es wäre jetzt sinnbefreit über die verschiedenen Stadien meiner Krankheit zu berichten – dazu gibt es genügend publizierte Artikel. Was jedoch Sinn macht, ist darüber zu sprechen. Nicht leise, versteckt und beschämt, sondern offen und laut.

Nichts ist befreiender als Gespräche mit anderen wunderbaren Frauen. Wenn wir uns darüber lustig machen welche Lebensmittel leichter wieder auszukotzen sind, wie man es am besten vor der Familie versteckt oder wie man es so offensichtlich macht, dass man nur schreien möchte ob der Tatsache, dass es niemand bemerkt. Und ich kann Dir eines sagen: es betrifft nicht nur Dich. Es betrifft uns beinahe alle. Ich kenne keine Frau, die nicht in der H&M Garderobe zu weinen beginnt oder mit ernsthaften Suizidgedanken spielt. Sich im Vergleich mit dem Mädchen von nebenan wie ein Elefant im Porzellankasten fühlt und im öffentlichen Bad ein Tuch um die Hüfte schlingt. Umso wichtiger mit diesem Tabu zu brechen und es einfach laut sagen. Ganz gleich wer mit mir spricht bekommt relativ rasch zu hören, dass ich jahrelang Bulemikerin war und wohl mein Leben lang mit einer gestörten Selbstwahrnehmung zu kämpfen haben werde. Warum mach ich das? Nicht weil ich mein Gegenüber mit einer Selbsthilfegruppe verwechsle, sondern weil ich Raum öffne. Nur in diesem offenen Raum können wir uns wahrhaftig begegnen und Heilung erfahren. Heilung ganz gleich welcher Wahnvorstellung Du auch nachlaufen magst.  Nur wenn wir einander ehrlich begegnen besteht die Möglichkeit aus dem gezeichneten Rahmen auszubrechen und Neues zu schaffen.

So absurd es klingen mag haben Instagram und Facebook einen großen Anteil an meiner liebevolleren Selbstwahrnehmung. Ich poste bewusst Fotos von mir im Bikini. Anfangs hauptsächlich von meinem Bauch – den mag ich gern – doch langsam wagte ich mich an für mich tatsächlich panikauslösende Bilder heran. Vorwiegend veröffentliche ich Fotos von meinen Beinen. Die ich, so lange ich denken kann, mit Verachtung bestrafe. Und so setze ich sie bewusst in Szene und stelle mich der Reaktion der Außenwelt. Ich lebe immer noch und bis jetzt ohne gröbere Beleidigungen. Social Media ist für mich so etwas wie ein therapeutisches Korrektiv geworden. Ich bin noch lange nicht dort wo ich sein möchte. Beinahe täglich erhält mein ehemaliger Lebenspartner einen Anruf von mir mit der Frage: „Bin ich dick geworden?“ und eine Freundin von mir hat mich heute irritiert beim Jeanskauf darauf hingewiesen, dass sie meine lieblose Bemerkung „In der Hose schau ich blad aus.“ als äußerst unpassend empfindet. Für so gut wie alle Issues habe ich eine Lösung gefunden, die mir erlaubt mein Leben heute sehr frei und schön zu genießen. Therapie, Selbstreflexion, Freunde, Familie und meine Yogapraxis haben dazu ihren Beitrag geleistet. Doch hier geht es langsamer, viel langsamer. Mir zu langsam.

Heute hatte ich ein Fotoshooting. Von dem ich eine Woche zuvor schon wusste. Ich habe keinen Tag gefastet, gekotzt oder abführende Lebensmittel zu mir genommen. Keine Sekunde habe ich daran gedacht. Lediglich gefreut habe ich mich darauf Fotos, in schönen Posen, von mir zu machen. Dabei habe ich sogar manchmal vergessen meinen Bauch einzuziehen. Ein Anfang? Ich denke es ist viel mehr!

Feminismus

say it loud and proud: Fotze!

Immer wieder, wenn ich die Notwendigkeit des Feminismus propagiere, bekomme ich zu hören, dass das doch obsolet sei.  Wir Frauen sind doch schon lange gleichberechtig! Na gut: nicht in Spitzenpositionen, nicht bei gerechter Entlohnung und Kinderbetreuung und eigentlich auch nicht in der Sprache. Zu lästig dieses Pochen auf geschlechtergerechte Formulierungen. Aber sonst ist doch eigentlich eh alles fein, oder?

Und dann wäre da noch das leidige Thema der Sexualisierung. „Du blöde Fotze“, „Die schirche Fut“, „Sei doch nicht so eine Pussy“ – kann mir bitte jemand mal erklären warum mein Geschlechtsorgan inflationär als Schimpfwort benutzt wird? Die Vagina der Frau schenkt Leben und beschert uns Menschen regelmäßig Lustmomente. Warum wird ihre Bezeichnung ständig negativ konnotiert benutzt? Warum dürfen Männer aus dem Auto derbste Sprüche rausrufen, nachpfeifen, anzüglich schauen und wenn es ganz hoch kommt auf den Po greifen?

In einem angeregten Diskurs mit meiner Schwester und Freundinnen kommen wir zu dem Ergebnis, dass es sich dabei wohl um ein multifaktorielles Fehlverhalten handelt. So ist es offenbar in unserer Gesellschaft sozial verträglich sich so zu benehmen und oft entsteht der Eindruck Mann folgt auch nur der Vorstellung, die das gesellschaftliche Konstrukt Mann eben darzustellen hat. Das Ganze wird selbstverständlich maßgeblich von der Komponente Macht geprägt. Sobald eine Frau in der mächtigeren Position ist, dreht sich das Spiel gerne wieder um.

Wäre es also nicht schön, wir könnten die Feminismusdebatte sein lassen und uns mit Geschlechterkonstrukten beschäftigen und die Auflösung derer anstreben? Dann dürfte Mensch Mensch sein mit all seiner Würde, ohne Kategorisierungen. Das wäre ganz wunderbar und würde wahrscheinlich der zickigen Frau erlauben hart und derb zu sein – sofern es ihrem Naturell entspricht – und dem sanften, modeaffinen Mann Liebesromane zu lesen. Ja, das wäre wunderbar! Doch dem ist nicht so. Also gilt es weiterhin diese Unterscheidung von Mann und Frau aufrechtzuerhalten und für Gleichberechtigung zu kämpfen. Damit realpolitisch eine Gleichstellung eintritt und die Sexualisierung endlich ein Ende findet. Bis dahin say it loud and proud: Fotze!

bewusste Entscheidungen treffen

Über das bewusste Treffen von Entscheidungen

Wer schon länger Yoga praktiziert kennt das bestimmt: Fünf Lehrer bedeuten fünf verschiedene – meist dogmatische – Erklärungen einer Asana. Ich kann mich noch gut an mein erstes Yogaretreat erinnern: morgens erklärte der Lehrer die Position so und abends die Lehrerin ganz anders. Wer hat nun recht? Zumeist alle. Solange wir uns an grundsätzliche anatomische Gegebenheiten der körperlichen Struktur halten, ist die Diskussion ob der Lordose im unteren Rücken und die Hüftstellung im ersten Krieger – eine die Menschen wie mich zwar in helle Aufregung und Begeisterung versetzt – jedoch eine sehr abstrakte.

Was wir aus dieser Erfahrung für die Yogapraxis mitnehmen können ist, dass die Einnahme jeder Asana eine Entscheidung ist. Standing Split mit offener Hüfte ist eine andere Position als mit einem geraden Becken. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. So können wir Tag für Tag auf der Matte üben bewusste Entscheidungen zu treffen. Das klingt so einfach – jeder Yogi und jede Yogini weiß jedoch wie schnell wir von der Anleitung verunsichert sind, uns an den Anderen im Raum orientieren, die eigenen Limitationen übergehen. So finden wir uns am Ende einer Praxis in Savasana und haben das Gefühl uns durch die Stunde durchgeschwindelt zu haben. Wenn das bei sich bleiben nun bereits auf der Matte so schwerfällt, dann ist das „off the mat“ eine noch viel größere Herausforderung.

Ich unterhalte regelmäßig Freundinnen und Familie mit meinen skurrilen Erzählungen von Begegnungen, in die ich mich ständig hineinmanövriere. Weil ich an der Aufgabe eine Entscheidung bewusst zu fällen täglich scheitere. So hat uns den gesamten Jänner und Februar meine männliche Reinigungskraft unterhalten, die mehrmals wöchentlich unangemeldet aufgetaucht ist – zumeist mit Essen – um sein „Projekt zu vollenden“. Ich weiß bis heute nicht was sein Projekt war und eigentlich auch nicht was der gute Mann stundenlang in meiner Wohnung, ohne meine Anwesenheit, gemacht hat. Recht häufig habe ich Dates, von denen ich erst erfahre, wenn ich bereits mittendrin bin. Weil ich auch da nicht klar kommunizieren kann. Von Kundenabsageregelungen, die ich inkonsequent bis nicht einhalte, gar nicht erst zu schreiben!

Meine ehemalige Psychotherapeutin hätte nun mit mir den Ursprung des Problems gesucht und es bis zur Erschöpfung analysiert. Mit dem Ergebnis, dass ich mich schlecht gefühlt habe. Natürlich ist mir klar, dass all das von dem Bedürfnis gemocht zu werden geleitet wird. Statt es zu analysieren und zu rationalisieren, vertrete ich jedoch heute den Standpunkt zu üben. Liebevolles praktizieren auf der Matte. Von Asanas. Bei sich bleiben. Trotz der Anleitung des Lehrers/ der Lehrerin. Trotz der Superyogini auf der Nachbarsmatte. Zu atmen, meine Grenzen respektieren und bewusstes Einnehmen von Haltung – Tag für Tag. Dann werden die Entscheidungen im Leben auch bewusster und klarer und eines Tages sehr frei! Ich freu mich drauf.

Frauensolidarität

Frau sein

Ich bin groß geworden in einer Gesellschaft, die uns vormachen möchte, dass Frauen sich gegenseitig bekämpfen, Neid verspüren und keine Solidarität leben. Missgunst ob der Schönheit der Anderen, der früheren Eheschließung, der Zeugung des Kindes.

Chicflicks mit dem einzigen Inhalt der unglücklichen und verzweifelten Frau, die ihren Seelenfrieden nur in der Anerkennung und Liebe eines Mannes findet. Fräulein wird zur Frau durch die Ehe. Und dann passen wir uns an die Veränderungen des geforderten Frauenbildes eben an: machen Poledance, tragen bauchfreie Shirts und ordnen uns dem Sexualisierungsdiktat der Gesellschaft mehr oder weniger bereitwillig unter. Und dennoch da gibt es eine andere Bewegung. Eine Bewegung, die mir Mut macht und mich mit sehr viel Stolz innehalten lässt. In den letzten Jahren hat sich bei all der subtilen Unterdrückung ein Gegenpol gebildet.

Das sind starke Frauen, denen ihre Freundschaften heilig sind. Die sich durch ihre Kraft nicht ihre Zartheit nehmen lassen. Sie feiern die Schönheit des Gegenübers und bewundern sie offen und ehrlich. Die ihre Identität abseits der Huldigung eines Mannes begründen. Sich nicht verlieren. Trotz Beziehung und Kind ihre eigene Bestimmung ergründen. Die sich ihr Recht auf Sexualität und Weiblichkeit nicht nehmen lassen, ohne dabei Objekt zu sein. Das sind jene Frauen, die mir täglich so viel Freude schenken. Mit ihrem Intellekt, ihrem Mut, ihrer Kraft, ihrem Sanftmut, ihrem Humor, ihrer Schönheit und dem Willen gemeinsam solidarisch für ein schönes Miteinander einzustehen.

Yogavideo mit Sandra

Coming Hooomm goes YouTube! Damit Du auch im Sommer die Möglichkeit hast mit uns zu üben <3 Die Amateurqualität des Videos muss – noch – einfach hingenommen werden 😉

In dieser 50 minütigen dynamischen Flowsequenz hast Du die Möglichkeit unter Anleitung durch eine Praxis zu fließen, die sowohl für AnfängerInnen als auch Fortgeschritten geeignet ist. Viel Spaß!

Selbstliebe, Yoga in 1020 Wien

Ich sehe Dich.

Wir jagen durch Sonnengrüße, Armbalancen, Kriegerpositionen. Die Musik ist laut und poppig. Wir tragen bunte Hosen, sündhaft teure Shirts mit Friedensbotschaften, hippen Schmuck und bewegen uns durch dynamische Yogasequenzen, die mit der ursprünglichen Idee Patanjalis zu sitzen und meditieren ungefähr soviel zu tun haben wie Alexander Van der Bellen mit Norbert Hofer. Die Luft ist heiß, der Schweiß läuft uns über die anmutig gestählten Oberarme und der Anblick im Spiegel ist pure Ästhetik. Und dennoch ich sehe Dich. Ich sehe wie Du haderst, wenn Dir Bakasana nicht gelingt. Du die Kraft im Chaturanga verlierst. Ich sehe wie Du in Dialog mit Dir trittst. Dich selbst um mehr Geduld bittest. Dein Schmerz in deiner Beinrückseite. Der Kampf dem Gefühl der Wut auszuweichen, das Dich durch die gesamten 30 Atemzüge in der Taube begleitet. Und 30 Atemzüge können so lange sein. Ich sehe Deinen harten Blick im Spiegel, wenn Du Deinen Bauch betrachtest und ich sehe Deine Bewunderung für die Beine der Mitpraktizierenden. Ich sehe Dein Lächeln wenn Du das erste Mal im Kopfstand stehst und der Stolz, der die harte Arbeit der letzten Wochen belohnt. Ich sehe Dich in Savasana atmen und Frieden finden. Ich sehe wie Du all das siehst und dem nicht ausweichst, sondern Woche für Woche daran arbeitest um mit Dir in Beziehung zu treten. Ich sehe wie Du wächst und Dich lieben lernst und Du siehst wie ich es sehe. Mit Dir den Raum halte und während ich Dich sehe, sehe ich mich und darf wachsen und mich lieben lernen.

Glück, Beziehung

Das Leben will kein Glück, sondern Evolution.

„Das Leben will kein Glück, sondern Evolution.“ – mit diesem Satz hat mich unlängst eine gute Freundin zum Nachdenken gebracht. Bei einem angeregten Gespräch am Wiener Karmelitermarkt unterhalten wir uns über Beweggründe in Beziehung zu bleiben oder es zu wagen Gewohntes zu verlassen.

Wenn das Leben also nach Evolution strebt suchen wir uns meist Partnerschaften in denen wir lernen. Lernen Erlebtes zu verarbeiten und das kann, wie wir alle wissen, wahnsinnig schmerzhaft sein. Ich selbst habe die wohl lernintensivsten 6 Jahre hinter mehr. Eine Beziehung in der ich jedes Trauma meines Lebens nochmals durchleben und daran wachsen durfte. Zwei Seelen die aneinander suchten was sie sich weder gegenseitig noch sich selbst geben konnten. Physische und emotionale Gewalt, Depression, Panikattacken und unendlicher Schmerz folgten. Doch wir konnten uns beide nicht voneinander lösen. Jede Trennung verursachte nur noch mehr Schmerz, noch mehr Wut, noch mehr Trauer und noch mehr Liebe. Und so blieben wir um an einander zu lernen.

Die Phase des „Warum kannst du mir das nicht geben?“ wurde mit jahrelanger Psychotherapie und noch mehr Wut, Panik und Intensität abgelöst von der Phase „Aber das habe ich doch verdient!“. Wieder Jahre der Selbstreflexion. Diesmal in einer Gruppentherapie – endlich konnte ich integrieren, dass das Gegenüber mir zu Liebe gar nichts zu tun hat. Sondern einfach er selbst sein darf. Doch die Ratio alleine hilft oft wenig. Erneut kam Schmerz, Wut und ganz viel Hass. Leicht wäre es gewesen den Hass zu forcieren, den geliebten Menschen aus dem Leben zu verbannen und das Herz zu verschließen. Doch tief in mir wusste ich, dass ich mehr kann und erneut rieben wir unsere Egos aneinander. Solange bis es tatsächlich Liebe war. Liebe die vom Gegenüber nicht mehr verlangt zu entsprechen und zu funktionieren die eigenen Ängste und Unzulänglichkeiten auszugleichen. Sondern jene tiefe Liebe die es dem Anderen erlaubt ganz er selbst zu sein.

Dann kam der Moment an dem auch die Gruppentherapie keinen Platz mehr hatte, weil ich an einem Punkt angelangt bin an dem ich mich genauso mag wie ich bin. Mit der aus meiner Geschichte resultierenden Bedürfnissen, die ich als starke Frau klar benennen und mir selbst meist geben kann. Was ich in Beziehung leben möchte weiß ich heute auch und das nicht mehr mehr aus Bedürftigkeit, sondern weil ich all die Liebe, Freude, Intensität und Verletzlichkeit teilen möchte. Es besteht nun auch nicht länger Grund den geliebten Freund aus dem Leben zu verbannen. Zurück bleiben keine Wunden. Nur ganz viel Liebe. Vielleicht ist jetzt mal eine Weile Ruhe vom Wachsen und Zeit für Glück!

hauptberufliche Yogalehrerin

Über den Alltag in der Freiberuflichkeit

Du bist Yogalehrerin? Hauptberuflich? Da hast du ja bestimmt viel Freizeit!

„Dein Leben möchte ich haben“ diesen Satz habe ich im letzten Jahr oft gehört und ja mein Leben ist wirklich wunderbar. Jedoch ein wenig anders als es nach außen wirkt. Da geht es mir wahrscheinlich wie Künstlern, Bloggerinnen und anderen Berufssparten die nach außen nach viel Spaß und Freizeit wirken. Unsere Arbeitswelt hat sich gewandelt und ein 9-5 Job ist nicht unbedingt mehr das gängige Model. Weil es mir leid ist ständig mit knirschenden Zähnen zu lächeln oder zu erwähnen, dass meine Tage oft sehr lange sind und inspiriert von dem Blogeintrag einer erfolgreichen Frau habe ich mich dazu entschlossen einen ganz normalen Arbeitstag zu beschreiben. Viel Vergnügen beim Lesen!

6:15 mein Wecker läutet mit einem wohl ausgesuchten Lied von Boy, das ich im Übrigen oft und gerne in meinen Yogaklassen spiele. Ich gönne mir 10 Minuten in den Himmel schauen und versuche die Müdigkeit auszuatmen. In 60 Minuten klingelt meine erste Kundin an der Tür – ich nutze die Zeit um mich zu duschen, anzukleiden, den Geschirrspüler auszuräumen, Wäsche zusammenzulegen und für all die Dinge die es zu erledigen gilt. Halb acht: meine geliebte Kundin tritt ein und ich freue mich ehrlich sie zu sehen. Sie nimmt auf der Matte Platz und ich schließe die Augen, erfühle die Stimmung, ihre Bedürfnisse. Mit ruhiger Stimme, am Boden sitzend um mich zu erden leite ich sie durch die ersten Positionen, stehe auf und gebe liebevolle Ausrichtung in den Asanas. Nach einer halben Stunde legt sie sich auf die Matte und ich schließe die Einheit mit einer Thai Nuad Massage. Sanft und langsam arbeite ich mit ihrem Körper. Wir vereinbaren zwei Folgetermine und ich verabschiede mich. 30 Minuten bevor ich zu meinen nächsten Privatkunden muss. Wissend das die nächste Mahlzeit gegen 21:15 auf mich wartet nehme ich mir Zeit für Kaffee, Eier und ein Stück Brot. Die Zeit von Hietzing in den 18. Bezirk nutze ich um meine Mails zu beantworten, auf Instagram und Facebook zu posten, Kundentermine zu vereinbaren und zu verschieben – zufrieden über das Tetrisspiel mit meinem Terminkalender läute ich bei meinen nächsten Kunden an. Die 74-jährige Dame öffnet mir gut gelaunt die Tür. Ich muss eine Weile überlegen dann fällt mir auch schon ein worüber wir letzte Woche geplaudert haben. Schnell knüpfen wir daran an und sie fühlt sich sicher aufgehoben. Um die Yogapraxis kreativ zu gestalten muss ich mir Woche für Woche neue Übungen ausdenken, die auch eine Dame fortgeschrittenen Alters bedenkenlos ausführen kann. Die 30 Minuten verfliegen und auch sie landet für eine abschließende Massage auf der Matte. Es ist still, ich erlaube mir mit ihrem Körper zu verschmelzen, gemeinsam wiegen wir uns in geschmeidigen Bewegungen und gegen Ende muss ich lächeln, weil ich es so schön finde. Fliegender Wechsel: ihr Mann tritt ein und klagt über seinen Ischias. Der renommierte Arzt vertraut mir seinen Körper blind an und ich öffne und entlaste seine Muskulatur. Er genießt die Gespräche über griechische Philosophie mit mir und ich versuche mich angestrengt an meine Vorlesungen zu erinnern. Seine Hand auf meinem Schenkel lege ich sachte zurück am Boden. Dann folgt das schlechte Gewissen, weil ich schon wieder weg und Kaffee, Kuchen und Obst dankend ablehnen muss.

Schnell ein doppelter Espresso am Weg, die geliebte Freundin auf in zwei Wochen vertröstet und schon bin ich in meinem eigenen Studio angekommen. Ich räume Gläser und Handtücher weg, zünde Kerzen an, koche Tee und habe noch 45 Minuten Zeit um selbst zu praktizieren. Auf der Matte fliege ich durch ein paar Sonnengrüße, übe Handstände und Armbalancen.  Bodenpositionen lass ich lieber aus – nur nicht die Energie abfallen lassen. Der nächste Kunde ist ein ehemaliger Profisportler, er erwartet sich gute Laune, laute Musik und eine kraftvolle Praxis. Während er anschließend duscht trinke ich meinen mitgebrachten Smoothie in der Sonne und mache mich schon wieder auf den Weg in den 7. Bezirk. Auch dort richte ich Kekse, Tee und Kerzen her und freue mich auf die kommenden Stunden. 17:00 Yoga für Anfänger. Es kommen jedoch ganz viele Fortgeschrittene. Ich betrete die Klasse, frage die TeilnehmerInnen was sie machen möchten. Wähle dazu wohl überlegt passende Musik. Die nächsten 90 Minuten versuche ich die Balance zwischen fordernder Praxis für die Geübten und liebevolles Annehmen für die Neulinge zu halten – Savasana. In der Endentspannung länge ich Beine, beruhige Herzen, löse Nacken- und Schulterverspannungen. Dann kommt der Moment den ich am meisten liebe: ich setze mich auf meine Matte und sauge die Energie im Raum auf. Mich überkommt die pure Liebe, all der Frieden im Raum findet Platz in meinem Herzen und ich kann das Glück kaum fassen das täglich erleben zu dürfen.

Die Klasse ist zu Ende. Smalltalk, lachen, verabschieden der alten und begrüßen der neuen Kunden. Ich hab unendlich Hunger. Schnell esse ich eine Banane und ein paar Nüsse und dann geht es auch schon mit der 19 Uhr Stunde weiter „Relax and Restore“. Ich entschließe mich keine Musik zu spielen, erneut frage ich nach den Wünschen der Teilnehmenden. Die nächste Stunde 30 sind ruhig und unspektakulär, wir atmen, dehnen, machen Partnerübungen und Selbstmassage. Ich switche meine Energie und werde unendlich langsam um Raum aufzumachen. Für mich und die Anderen. Gegen Ende spüre ich in mich hinein: ich habe genug Energie. Noch einmal massiere ich die Körper der Anwesenden. Diesmal länger, mit noch mehr Hingabe.

Bevor ich das Studio verlasse räume ich auf und schaue auf mein Telefon: 3 Einladungen um den Freitagabend in Gesellschaft ausklingen zu lassen. Ich bin aufgekratzt und muss mich selbst dazu zwingen abzusagen. Es wartet morgen ein langer Tag auf mich. Am Heimweg kaufe ich mir etwas zu essen und schaue aus dem Straßenbahnfenster. Zuhause angekommen überweise ich Trainerhonorare, schreibe eine Honorarnote, drucke Rechnungen aus. Dann stelle ich mich unter die kalte Dusche und wasche diesen langen Tag von mir ab. Es ist 22 Uhr. Am Balkon rauche ich die einzige Zigarette des Tages und schaue in den Nachthimmel.

Warum praktizieren wir Yoga?

Um diese Frage zu beantworten muss man vorab klären was Yoga denn eigentlich ist! Yoga bedeutet  in einer seiner Definitionen Verbindung. Wir im Westen praktizieren zu einem großen Teil das dritte Glied des achtgliedrigen Ashtangapfads. Die restlichen Glieder beinhalten den Umgang mit anderen und uns selbst (Achtsamkeit, Wahrhaftigkeit, Zufriedenheit, Selbstreflexion und vieles mehr), Atemübungen, Rückzug der Sinne, Konzentration, Meditation und die Versenkung. Es ist nicht so, dass wir die Glieder vom ersten bis zum achten geradlinig verfolgen, vielmehr fließt das achtsame Üben in deinen Umgang mit den Menschen in deiner Umgebung ein. Das Innehalten in der Konzentration und Meditation lässt dich deinem ersten Impuls zu reagieren in einem Streit widerstehen. Die ruhige Atmung beruhigt deinen Geist und dein Handeln im Alltag. Wichtig ist es dennoch, dass wir unsere Praxis nicht als etwas abgeteiltes, im Yogastudio basierendes, sehen. Dann ist es nicht Yoga, sondern vielmehr achtsame Gymnastik. Die Yogawelt unterzieht sich einem raschen Wandel angelehnt an das kapitalistische Treiben der Welt: schöne Kleidung, bunte Matten, passender Schmuck, vegane Ernährung. Es entsteht der Eindruck als würden wir alle einem hippen Trend hinterherlaufen. Doch aufgepasst, dabei können wir uns leicht wieder verlieren! Im Wunsch schlank, gesund, schön und ausgeglichen zu sein birgt sich die Gefahr das Wesentliche an unserer Praxis zu verlieren. Warum du praktizierst kannst du nur für dich selbst erfahren. Erfahren in einer langen Entdeckungsreise durch deine Praxis. Wiederholtes Üben der immer gleichen Abfolgen oder kreativ zusammengestellter Flows, ein Spüren der Verbindung nach unten zur Erde, ein Streben nach oben in die Unendlichkeit ohne sich selbst dabei zu verlieren. Deine Stärken, Schwächen, Ängste und Freuden durchleben und dabei immer tiefer zu sich selbst, dem wahren Wesenskern, der unter all diesen Wellen der Emotionen liegt  vorzudringen. Wie in die Tiefe des Meeres, dort wo die Wellen, der Sturm, die Boote keinerlei Bedeutung mehr haben.